In der Klasse von Bertha Reingbald (1929 – 1934)

B. M. Reingbald, die aus einer bekannten Architektenfamilie stammte, hatte selbst bei E. Tschernetzkaja-Geschelin studiert, einer Schülerin von W. I. Safonow. Zu der Zeit, als sie Gilels kennenlernte, war sie bereits nicht nur als sehr vielseitig gebildeter Mensch, sondern auch als herausragende Klavierpädagogin bekannt. Große Musiker wie B. Marantz, T. Goldfarb, B. Kosel und viele andere hatten bei ihr studiert. Aufgrund ihrer langjährigen pädagogischen Erfahrung im Unterrichten von außergewöhnlichen Begabungen verstand Reingbald sofort, dass Gilels ein herausragendes Talent besaß und widmete ihm fortan besondere Aufmerksamkeit.
Gilels war zu jener Zeit in einem schwierigen Alter. Der lebhafte vierzehnjährige Junge war vielseitig interessiert und beschäftigte sich  mit vielen Dingen neben dem Klavierspiel. Geduldig setzte sie sich mit Gilels auseinander, nahm sich Zeit um auf die Persönlichkeit und die Entwicklung ihres Schülers einzugehen.
Reingbald gab ihm neue musikalische Impulse, führte ihn in die Kreise der professionellen Musiker und der Musikliebhaber ein und weckte sein Interesse an der Kunst als solcher. Außer seinem musikalischen Talent besaß Gilels eine deutlich ausgeprägte Begabung in den Geisteswissenschaften. Mit dreizehneinhalb Jahren wurde er nach abgeschlossener Schulausbildung ins Konservatorium aufgenommen. Die Richtung, die seine Entwicklung durch Reingbald genommen hatte, sensibilisierte seine musikalische Intuition und das Verständnis künstlerischer Zusammenhänge. Durch die stetige Arbeit an der Perfektion seiner Klaviertechnik erreichte er schon mit 13 Jahren ein pianistisches Niveau, welches die meisten Virtuosen erst am Ende ihrer Ausbildung, wenn überhaupt, erwerben. Mit 14-16 Jahren entwickelte er pianistische Eigenschaften, die in der Geschichte der Klavierkunst Ihresgleichen suchen.
Die Resultate ließen nicht lange auf sich warten. Anfang der 30er Jahre kamen viele berühmte Musiker nach Odessa. Gilels spielte für A. Borowskij und Artur Rubinstein. Ihren Eindruck beschrieben sie unabhängig voneinander mit dem Wort „erschütternd“. Rubinstein prophezeite, dass Gilels nach Amerika kommen und dort alle, ihn selbst mit eingeschlossen, in den Schatten stellen werde.
Wie auch Tkatsch, bewahrte Reingbald Gilels vor zu häufigen Konzertauftritten. Sie erlaubte ihm jedoch die Teilnahme beim ukrainischen Wettbewerb, obwohl Pianisten seiner Altersklasse eigentlich noch nicht zugelassen waren. Der Jury gefiel sein Auftritt außerordentlich und so erhielt er ein Stipendium, welches ihn von der Notwendigkeit, sein Leben mit Konzerten zu finanzieren, befreite. Das Hauptziel von Reingbald war die Vorbereitung ihres Schülers für die Teilnahme an dem ersten Sowjetischen All-Union Wettbewerb, der 1933 in Moskau stattfinden sollte.